Die gescheiterte Göttin

Am Internationalen Frauentag sollten wir uns eingestehen, dass die feministische Bewegung niemandem gut getan hat – nicht einmal ihren angeblichen Nutznießern.

Eine kürzlich durchgeführte Umfrage hat gezeigt, dass die Mehrheit der jungen Menschen der Meinung ist, dass feministische Gesetze und Maßnahmen zu weit gegangen sind und nun Männer diskriminieren. Es ist gut, dass es Reaktionen gegen die Diskriminierung von Männern gibt.

Anlässlich des Internationalen Frauentags sollten wir uns auch mit den Auswirkungen des Feminismus auf die Frauen befassen und erkennen, dass er auch bei ihnen sehr schlecht gewirkt hat.

Nicht nur der radikale Feminismus. Nicht nur die hasserfüllte oder randständige Variante. Die ganze Sache mit ihren rührseligen Geschichten und sentimentalen Feiern, ihren Übertreibungen und Vertuschungen, ihrer unerbittlichen Konzentration auf die Forderungen und angeblichen Bedürfnisse der einen Hälfte der Menschheit auf Kosten der anderen ist ein monumentales Desaster.

Seit mehr als 50 Jahren verstrickt sich die Bewegung in betrügerische Behauptungen, Kurzsichtigkeit, Sonderbehandlung, Doppelmoral, Aufgabe von Prinzipien, mannigfaltige Heucheleien und emotionale Inkontinenz.

Sie hat die Situation von Frauen und Männern immer wieder falsch dargestellt und bei ihren weiblichen Anhängern eine ungesunde Mischung aus verletzter Selbstachtung, schwelendem Groll und selbstgerechter Empörung hervorgerufen, die oft von einer unbegründeten Überzeugung von moralischer Überlegenheit und Verachtung für die Unaufgeklärten überlagert wird.

Und trotz der energischen Streicheleinheiten für das weibliche Ego und der wiederholten Beteuerungen, dass Frauen unschuldig sind, auch trotz der verschiedenen Vergünstigungen und Ausnahmeregelungen, der schmeichelnden Darstellung in den Medien und der übergroßen öffentlichen Sympathie, trotz der ständigen Ermutigungen  „You go, girl!“ („Nur zu, Mädchen!“) und der Versprechungen, was noch alles getan werden muss, um die weibliche Spezies zu schützen, zu fördern, zu unterstützen und zu segnen, hat es die Bewegung nicht geschafft, die Frauen glücklicher oder zufriedener zu machen, als sie in den 1970er Jahren ihre Anfänge nahm.

Tatsächlich ist das Gegenteil eingetreten. Frauen sind deutlich weniger glücklich als früher.

Ein Artikel in Neuroscience News vom September 2023 schlug Alarm und nannte es „Das Paradox des Fortschritts: Warum mehr Freiheit die Frauen nicht glücklicher macht..“ Im selben Jahr berichtete CNN, dass das Population Reference Bureau einen deutlichen Rückgang des Wohlbefindens bei den Frauen der Jahrtausendwende feststellte. Im Jahr 2022 erklärten David G. Blanchflower und Alex Bryson, dass über Zeit und Raum hinweg „Frauen unglücklicher sind als Männer […] und mehr Tage mit schlechter psychischer Gesundheit und mehr unruhigen Schlaf haben.“ Oft zitiert wird eine große Metastudie aus dem Jahr 2009 mit dem Titel „The Paradox of Declining Female Happiness“ (Das Paradox des abnehmenden weiblichen Glücks), die die Persistenz des abnehmenden Glücks von Frauen über die Jahrzehnte hinweg nachweist.

Was diese feministischen Akademikerinnen und Journalistinnen als Paradoxon bezeichnen, mag dem Rest von uns recht einfach erscheinen: Bewegungen, die auf der Behauptung einer wütenden Opferrolle basieren, werden wahrscheinlich keine zufriedenen Kunden hervorbringen. Doch bevor wir diese Schlussfolgerung näher erläutern, sollten wir einen Blick auf die Versuche der Gelehrten werfen, das Offensichtliche zu leugnen.

Der Artikel „Das Paradox des Fortschritts“ in Neuroscience News umreißt das Problem folgendermaßen: „Obwohl Frauen mehr Freiheiten und Beschäftigungsmöglichkeiten haben als je zuvor, leiden sie häufiger an Angstzuständen und psychischen Problemen wie Depressionen, Wut, Einsamkeit und unruhigem Schlaf.“ Der Artikel ist typisch feministisch in seiner Gratwanderung zwischen zwei widersprüchlichen Prioritäten: den Lesern zu versichern, dass Frauen den Männern überlegen sind – in diesem Fall „emotional belastbarer“, mit „intimeren“ Freundschaften, größerer „Fähigkeit zu persönlichem Wachstum“ und Engagement für „mehr altruistische Bestrebungen“ – und gleichzeitig zu betonen, dass Frauen es schlechter haben als Männer – in diesem Fall depressiver, einsamer und ängstlicher sind.

Es scheint, dass nicht beides wahr sein kann, – die Fähigkeit zur Intimität zum Beispiel sollte die Einsamkeit verringern – aber der Artikel versucht, den Widerspruch aufzulösen, indem er auf eine dritte feministische Mär zurückgreift: dass Frauen (natürlich zu Recht) „unglücklich darüber sind, wie die Gesellschaft sie behandelt“. Alle emotionale Belastbarkeit der Welt kann das scheinbar nicht wettmachen.

Dennoch bleibt ein nagendes Gefühl der Inkohärenz bestehen. Wenn Frauen tatsächlich mehr Freiheiten und mehr Möglichkeiten haben als je zuvor, würde das dann nicht bedeuten, dass die „Gesellschaft“ (zu der sicherlich sowohl die Frauen als auch die Männer gehören, die die zunehmenden Freiheiten und Möglichkeiten ermöglicht haben) die Frauen besser behandelt als früher?

Könnte es also sein, dass die Wahrnehmung der Frauen, schlecht behandelt zu werden, genau das ist – eine Wahrnehmung, ein Glaube, ein Gefühl, das nicht durch systemische Misshandlung, sondern durch wiederholte feministische Behauptungen darüber entsteht? Der Artikel bietet keine andere Erklärung als Links zu zwei Artikeln, einer über die Arbeitsbelastung von Frauen in Indien (!) und der andere über die von britischen Frauen selbstberichteten Erfahrungen mit „sexueller Belästigung, Mobbing oder verbalem Missbrauch“ am Arbeitsplatz, wobei keine Vergleichsdaten zu den von Männern selbstberichteten Erfahrungen vorliegen. Der Artikel verpufft am Ende damit, dass den Frauen geraten wird, sich therapieren zu lassen, die Natur zu genießen und ihr Aktivitätsniveau zu erhöhen. Wenn Frauen jedoch belästigt und in die Depression getrieben werden, werden ein paar zusätzliche Aerobic-Trainingstunden in ihrem Terminkalender kaum einen Ausgleich schaffen.

Die Metastudie „The Paradox of Declining Female Happiness“ (Das Paradox des abnehmenden weiblichen Glücks) der Forscher Betsey Stevenson und Justin Wolfers von der University of Pennsylvania aus dem Jahr 2009 versucht, eine viel umfassendere Analyse ähnlicher Ergebnisse zu liefern; auch sie tut jedoch kaum mehr, als feministische Gesprächsthemen zu rekapitulieren. In dieser Studie wird festgestellt, dass in allen untersuchten Lebensbereichen und in allen demografischen Gruppen und geografischen Gebieten der Vereinigten Staaten – mit der unerklärlichen Ausnahme schwarzer Frauen – das von Frauen berichtete Glücksniveau seit den 1970er Jahren gesunken ist, und zwar sowohl absolut (im Vergleich zu Frauen früherer Epochen) als auch im Verhältnis zu Männern. Der Bericht unterstreicht die überraschende Natur der Ergebnisse: Während sich die Ergebnisse aus der Arbeitswelt, insbesondere die Reallöhne und die Zahl der Arbeitsplätze, für Frauen deutlich verbessert haben, fühlen sich die Frauen in ihrem Leben nicht besser.

Die Forscher behaupten nicht, eine endgültige Antwort auf das Rätsel zu haben, aber sie ziehen eine Reihe von Theorien in Betracht, von denen die meisten feministisch sind. Eine davon besagt, dass mit der zunehmenden außerhäuslichen Erwerbstätigkeit von Frauen auch die Gesamtarbeitszeit der Frauen gestiegen ist, was zu Stress führt. Die Forscher räumen ein, dass die meisten Erhebungen über die Zeitverwendung eine solche Behauptung nicht stützen: Die Arbeit der Frauen im Haushalt hat aufgrund zeit- und arbeitssparender Technologien tatsächlich abgenommen, und die Männer leisten mehr Arbeit im Haushalt als in der Vergangenheit. Daher erwägen die Forscher, diese Theorie zu verfeinern.

Sie erwähnen die Idee, dass Frauen die „emotionale Verantwortung für Haus und Familie“ behalten haben. Männer leisten vielleicht mehr Stunden im Haushalt, aber die „Last der häuslichen Produktion“, wie sie es nennen, wird immer noch hauptsächlich von Frauen getragen. Die Tatsache, dass so etwas unmöglich gemessen werden kann, macht es zu einer attraktiven Theorie für Feministen, und unsere Forscher erwähnen es mit dem Respekt, der unbegründeten feministischen Theorien oft entgegengebracht wird.  Eine weitere, ebenfalls nicht messbare Theorie der Forscher lautet, dass die Kombination von Arbeit im Freien und Haushalt für Männer angenehmer ist als für Frauen.

All diese Erklärungen sind Teil eines bekannten Trends im feministischen Denken, der behauptet, dass die Frauenbewegung in Wirklichkeit den Männern mehr genützt hat als den Frauen: Irgendwie haben es die Männer, obwohl größtenteils als antifeministisch angesehen, dennoch geschafft, sie zu ihrem Vorteil zu nutzen. Zur Verschwörungstheorie „Männer profitieren“ gehört auch der Gedanke, dass zwar die Reallöhne der Männer seit den 1970er Jahren gesunken sind, der daraus resultierende Rückgang des Haushaltseinkommens aber die Frauen mehr stört als die Männer, obwohl die Verschwörung eher in der Natur als in der Gesellschaft verortet wird. Mit anderen Worten: Sowohl Männer als auch Frauen leiden wirtschaftlich, aber die Frauen spüren den Schmerz stärker.

Interessanter ist meiner Meinung nach, dass die Forscher auch kurz zwei andere spekulative Erklärungen anführen, die mit der Psychologie utopischer Massenbewegungen zu tun haben. Sie vermuten, dass die geringere Zufriedenheit der Frauen darauf zurückzuführen sein könnte, dass Frauen heute eher dazu neigen, ihr Leben mit dem der Männer zu vergleichen, und dass sie ihr Leben an den euphorischen Versprechungen der feministischen Bewegung messen.

Die beiden letztgenannten Möglichkeiten ergeben einen gewissen Sinn. Frauen vergleichen ihr Leben mehr als früher mit dem der Männer, und sie wurden in dem Glauben bestärkt, dass ihr Leben viel schwieriger ist als das der Männer. Die meisten Frauen haben tatsächlich keine Ahnung, was Männer in der Welt eigentlich tun oder wie ihr Leben aussieht, und sie werden aktiv davon abgehalten, über die Schwierigkeiten der Männer nachzudenken. In diesem Zusammenhang neigen Frauen dazu, ihre Lebenssituation mit ihren verschiedenen Enttäuschungen und Problemen, mit den Versprechungen der feministischen Bewegung zu vergleichen; natürlich stellen sie fest, dass der feministische Traum nicht verwirklicht wurde. Männer neigen im Gegensatz zu Frauen nicht dazu, ihr Leben mit dem der Frauen zu vergleichen, und haben kaum Erwartungen an eine utopische Perfektion.

Die Forscher gehen auf diese Hypothesen nicht näher ein, und im Allgemeinen scheuen sie sich, über die Auswirkungen der Frauenbewegung auf die Einstellung der Frauen zu spekulieren. Aber jeder ehrliche Analytiker, der sich die Studie ansieht, käme kaum um die Schlussfolgerung herum, dass der Feminismus ein Flop war.

Feministinnen selbst haben natürlich viele Erklärungen für das scheinbare „Paradoxon“, die meisten davon haben mit dem Fortbestehen vermeintlicher männlicher Privilegien zu tun; praktischerweise führen ihre Erklärungen immer zu der Forderung, mehr für Frauen zu tun. Aber solche Ausreden können nur eine gewisse Zeit lang funktionieren. Nach einer bestimmten Anzahl von Jahren, in denen alle messbaren Ziele des Feminismus erreicht wurden, klingt die Behauptung, es sei nicht genug, hohl.

Die fast unvermeidliche Schlussfolgerung, die sich daraus ergibt und die in dem Bericht nicht erwähnt wird, muss sein, dass mehr Feminismus zu noch mehr weiblichem Unglück führen kann. Steigende Löhne, sexuelle Freiheit, eine weitaus stärkere politische Beteiligung, die Möglichkeit, seine Kinder ohne Gewissensbisse abtreiben zu lassen, die Möglichkeit, sich von seinem Ehemann scheiden zu lassen und trotzdem von seinen Einkünften zu leben, die Möglichkeit, sich wie eine Schlampe zu benehmen und dafür Beifall zu ernten – nichts von alledem hat die positiven Auswirkungen, die führende Feministinnen wie Simone De Beauvoir, Betty Friedan, Gloria Steinem, Kate Millett und Shulamith Firestone, um nur einige zu nennen, versprochen haben. 

Es ist erwähnenswert, dass laut dem Bericht von 2009 auch Frauen, die keine Karriere machen, nicht abtreiben, sich nicht von ihrem Mann scheiden lassen oder auf andere Weise das vom Feminismus geförderte Leben führen, über ein sinkendes Glücksgefühl berichten: Leider hat der Feminismus die kulturelle Luft beeinflusst, die alle Frauen atmen.

Im letzten Absatz des Berichts zitieren die Autoren einen Forscher namens Ed Diener, der eine wichtige Frage zur Komplexität des Glücks aufwirft. Sie zitieren ihn dahingehend, dass „objektive Bedingungen wie Gesundheit, Komfort, Tugenden oder Reichtum“ beim subjektiven Wohlbefinden „bemerkenswert abwesend“ sind. Ein guter Gesundheitszustand spielt also eine gewisse Rolle für das Glück, aber man kann trotzdem unglücklich sein. Das Wort, das aus Dieners Liste herausstach, war Tugend, ein Wort, das sonst in diesem Bericht und in den meisten modernen Betrachtungen über die Situation der Frauen fehlt. Für die meisten Glücksphilosophen bis zu unserer Zeit war das nicht so. Für die griechischen und christlichen Philosophen der Antike war Glück nicht eine bestimmte Art von Gefühl, sondern ein Leben, das von Vernunft und ethischer Praxis bestimmt wird.

Früheren Frauengenerationen wurde beigebracht, dass Glück direkt mit Tugend zusammenhängt und Tugend darin besteht, für andere zu leben, loyal zu sein, dem Ehemann zu helfen, sich den Kindern zu widmen oder auf andere Weise ein gutes Leben zu führen – als Nonne oder Heilerin, als Mystikerin oder Gelehrte. Der Feminismus hat diese Vorstellung bewusst auf den Kopf gestellt. Ideale der Keuschheit, der Treue, der Selbstaufopferung, der Selbstbeherrschung und der liebenden Güte waren nach Ansicht des Feminismus die aufgezwungenen Ideale, mit denen Männer Frauen daran hinderten, ihren Wünschen nachzugehen. Im Feminismus ging es um Selbstverwirklichung.

In den Jahren seit den 1970er Jahren wurde die Diskussion über die weibliche Güte im Wesentlichen ausgeschlossen. Während Männer schon immer an einem Standard des guten Mannes gemessen wurden (und sich selbst daran gemessen haben) – an einem Mann, der seine Familie, einschließlich seiner Frau, unterstützt, die Gerechtigkeit verteidigt, sich im öffentlichen Raum auszeichnet, die Schwachen beschützt und das Böse besiegt -, ist das Ideal der guten Frau zu einem Relikt aus der Zeit vor den 1960er Jahren geworden. Fragt man eine Feministin, was eine gute Frau ist, so wird sie entweder höhnisch lachen und die Antwort verweigern oder sagen, dass eine gute Frau gegen das Patriarchat kämpft. Mit anderen Worten, sie wird Ihnen eine oppositionelle Identität mit wenig oder gar keinem positiven Inhalt geben. Das eigentliche Problem des Feminismus für Frauen ist, dass er den positiven Inhalt des Frauseins zerstört und durch nutzlose Wut ersetzt hat.

Die traditionellen Philosophen waren schon immer geteilter Meinung darüber, ob Tugendhaftigkeit für Glück ausreicht, aber sie waren sich einig, dass Glück ohne Tugendhaftigkeit unmöglich ist. Der Feminismus, der sich gegen die Tugendhaftigkeit wendet, hat die Quellen des wahren Glücks untergraben. Am Internationalen Frauentag sollten wir die Warnung beherzigen, dass mehr Feminismus zu noch mehr Bitterkeit und Unzufriedenheit führen wird.

Zur Person
Janice Fiamengo wurde in Vancouver geboren und an der University of British Columbia ausgebildet. Sie war zwanzig Jahre lang Professorin für Englisch an der University of Saskatchewan und der University of Ottawa, Kanada. Während dieser Zeit veröffentlichte sie zahlreiche Bücher über Frauenliteratur und kanadische Literatur. Seit 2015 schreibt und produziert sie The Fiamengo File (das Fiamengo-Dossier, Teil 1 hier), eine Reihe von Videos über Männerthemen und Feminismus. Diese Reihe wurde von YouTube zensiert und gelöscht und konnte nur teilweise wieder hergestellt werden. In 2022 begann sie eine verwandte Videoserie (Fiamengo File 2.0) über die Geschichte des Feminismus, deren Texte wir hier größtenteils in Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Autorin wiedergeben.

© Janice Fiamengo 2015-2023, alle Rechte vorbehalten, insbesondere aber nicht nur die des deutschen Urheberrechts. Vervielfältigung dieser Übersetzung nur nach Rücksprache mit mir (Tom Todd) oder der Autorin (Janice Fiamengo) unter Nennung der Quelle (“Erschienen zuerst auf Geschlechterwelten.de”).
Übersetzung © tom todd

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